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Als Frau Sonne streikte

„Mir stinkt´s“, sagte Frau Sonne eines sonnigen Frühsommertages.
Sie rümpfte ihre Sonnennase und deutete auf die vielen langen Autostaus und den stinkenden Qualm auf den Straßen.
„Für dies da unten sind mir meine kostbaren Strahlen zu schade“, schimpfte sie. „Was geht auf der Erde bloß vor sich?“
„Ausflüge machen die Menschen mit ihren Fortbewegungsmitteln, die sie Autos, Busse und Motorräder nennen“, erklärte die Wolkenfee. „Sie sind unterwegs, um Sonne und frische Luft zu tanken und Abenteuer zu erleben, wie sie sagen.“
Frau Sonne empörte sich noch mehr. „Auf der Suche nach frischer Luft verpesten sie dieselbe? Ha! Wie töricht sie sind! Also ich, ich habe jetzt eigentlich keine Lust mehr auf Sonnentage. Wolkenfee, es gibt Arbeit für dich!“
Sie gähnte. „Ich fühle mich nämlich ganz urplötzlich so müde. Ja, ich glaube, ich muss ein wenig Ruhe tanken. Und mir einen Ort suchen, an dem ich frische, saubere Luft ‚tanken’ kann.“
Die Wolkenfee grinste. „Ganz schön schlau bist du“, sagte sie voller Bewunderung.
Sie rief ihre Wolkenherden, und bald hingen dicke, dunkle Wolken tief über dem Land. Tagelang. Wochenlang.
Verärgert blickten die Menschen zum Himmel. Wolken im Sommer? Gemeinheit! Sie stahlen der Sonne den Platz am Himmel. Und überhaupt: Im Sommer hatte die Sonne zu scheinen. Das gehörte sich so! Laut fluchten die Menschen vor sich hin.
Die Wolkenfee rieb sich vergnügt die Hände, während Frau Sonne hinter den Wolken versteckt schlief. Nur manchmal ließ sie für ein paar Stunden ihre Strahlen durch die Wolkendecke blinzeln. Für die Pflanzen, Tiere und Kinder. Aber sobald sich an den Wochenenden oder an Feiertagen auf den Straßen wieder Autoschlangen stauten, zog sie sich zurück. So blieb es oft in jenen Sommertagen düster und kalt und regenfeucht im Land.
„Vielleicht“, sagte Frau Sonne, „kommen die Menschen auf diese Weise zur Vernunft.“
„Tja“, murmelte die Wolkenfee. „Man soll die Hoffnung nie aufgeben.“
Nun, man wird sehen, was sich die beiden in diesem Sommer noch alles so einfallen lassen. Oder vielleicht haben die Menschen eine Idee?

© Elke Bräunling


Gleichklang, Bildquelle © realworkhard/pixabay