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Vom kleinen Trecker, der so gern gebraucht werden wollte (1)

Auf einem Bauernhof, gar nicht weit von hier, steht in einer Scheune ein kleiner roter Trecker. Die rote Farbe sieht man fast nicht mehr, denn eine dicke Staubschicht hat sich in den letzten Monaten auf die Bleche gelegt. Der Trecker ist traurig. Früher hat er hart gearbeitet, heute wird er nicht mehr gebraucht. An seiner Stelle schafft jetzt ein neuer, moderner Traktor. Er ist grün und etwas größer als unser trauriger Geselle.
Am ersten Sonntag im Juli soll auf dem Hof das Heu eingefahren werden. In der Scheune wurde Platz geschaffen, das Scheunentor steht weit auf, so dass der kleine Trecker auf den Hof sehen kann. Wie gern würde er nun helfen, aber niemand kümmert sich um ihn.
Gerade kommt der grüne Trecker aus der Wiese zurück. Er hat das Heu noch einmal gewendet und in Welle gefahren, jetzt hängt der Bauer die Heupresse an und dann wird es losgehen zum Pressen.
Die Helfer fahren mit den Fahrrädern voraus, der Bauer geht noch kurz ins Haus. Dann schwingt er sich auf den Sitz und will den Trecker anlassen. Doch – es passiert nichts, der grüne Trecker macht keinen Mucks. „Verflixt!“, flucht der Bauer und steigt wieder ab. „Was ist denn nun wieder los?“
Natürlich bekommt er keine Antwort, Trecker reden nur, wenn der Motor läuft. Wenn ihnen etwas fehlt, dann fangen sie an zu stottern oder brummen. Ein Trecker, der nicht läuft, kann nicht sagen, was los ist. Der Bauer weiß das eigentlich, trotzdem versucht er es noch einmal: „Kannst du mir mal sagen, warum ich so viel Geld ausgegeben habe für dich und wenn es drauf ankommt, dann springst du nicht an?“
Der Bauer überprüft, ob noch genügend Treibstoff im Tank ist, er öffnet auch die Motorhaube und schaut dort nach dem rechten. Doch er kann machen, was er will, der Trecker schweigt.
Dunkle Wolken ziehen am Himmel auf, in der Ferne hört man schon den Donner grummeln. Ein Gewitter zieht auf.
‚Hol mich hier raus‘, denkt der rote Trecker. ‚Gleich gibt es Regen und dann ist das schöne Heu plitschnass!‘
Genau dieser Gedanke kommt auch dem Bauern in diesem Moment, er rennt in die Scheune, nimmt einen Besen und fegt den kleinen Traktor ab. Das kitzelt, der Kleine muss lachen – aber nur ganz leise. “Lass mich nicht im Stich, Kleiner!“, sagt der Bauer und streicht liebevoll über das Schutzblech. Er überprüft die Reifen, es ist alles in bester Ordnung und etwas Diesel ist auch noch im Tank. Der kleine rote Trecker springt auf Anhieb an und schnurrt wie eine Katze.
Die Heupresse wird angehängt und dann geht es ab zur Wiese, wo schon alle warten. Sie staunen, dass der Bauer mit dem alten Trecker angefahren kommt, aber sie sind so froh, dass er ohne Probleme durch die Reihen fährt und das Heu in Bunde presst.
Rechtzeitig vor dem Regen schaffen sie es alle zusammen, das Heu aufzuladen und zu Hause in der Scheune zu verstauen.
Alle sind froh und besonders froh ist der kleine rote Trecker, der beweisen konnte, dass man auch wenn man schon etwas älter ist und nicht mehr ganz so modern, seine Arbeit tun kann und gebraucht wird.
© Regina Meier zu Verl
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