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Feriengeschichte, Foto Bergkapelle von Andrea Oberdorfer, Geschichte über die Bergkapelle, Geschichte für Senioren, Kindergeschichten, Schmugglergeschichte, Sommergeschichte, Traumgeschichte, Urlaubsgeschichte, Zeitreisegeschichte
Das Geheimnis der alten Bergkapelle
„Halt an!“, rief Mama während der Fahrt durch die sonnige Hügellandschaft des Allgäus plötzlich. Sie sprang aus dem Auto und deutete auf die Wiese am Berghang. Kühe weideten hier und ganz oben stand eine verwitterte Kapelle
„Hier bin ich schon gewesen“, sagt sie aufgeregt. „Oft habe ich auf dich gewartet. Und ich hatte große Angst um dich. Weißt du noch?“
Papa schüttelte verwirrt den Kopf. „Du irrst dich, Anna“, sagte er zu Mama. „Hier sind wir noch nie gewesen.“
„Aber Leon!“ Mama starrte Papa erschrocken an. „Hast du es vergessen?“
Mara und Max kicherten. Papa vergaß gerne Dinge, die er nicht besonders leiden mochte. Bestimmt hatte er keine Lust, sich an diese steile Wiese mit der alten Kapelle zu erinnern.
„Äh“, stammelte er. „Wir waren noch nie hier im Allgäu und diese hässliche Kapelle kenne ich nicht.“
„Sie war damals nicht hässlich“, protestierte Mama, die zu dem kleinen Bauwerk und den Bergen, die sich steil dahinter erhoben, starrte. „Von dort her bist du mit deinen Gefährten immer gekommen und wir Frauen haben auf euch bei der Kapelle gewartet und um eure heile Rückkehr gebetet.“
„Hä?“ Papa begriff gar nichts mehr. „Ist das wieder eine deiner Traumgeschichten?“
„Vielleicht.“ Mamas Stimme klang etwas verzagt. „Oft habe ich von dieser Kapelle und diesen Bergen geträumt.“
Papa seufzte.
Mara und Max aber begannen sich zu freuen. Mamas Traumgeschichten waren nämlich mächtig spannend und luden zu einer Zeitreise in die Vergangenheit ein. „Erzähle!“, riefen sie.
Papa seufzte noch lauter. Dann holte er Decken und den Picknickkorb aus dem Kofferraum. „Okay“, sagte er. „Was haltet ihr von einem Picknick dort oben bei ‚Mamas’ Kapelle?“
„Super!“ Nun waren Mara und Max fast genau so aufgeregt wie Mama und staunend hörten sie sich wenig später die Geschichte an von den Schmugglern, die begehrte Waren aus Italien auf geheimen Pfaden über die Alpen ins Land schmuggelten. Mit diesem gefährlichen Job besserten sie ihren Lebensunterhalt auf. Und klar, Papa war in Mamas Traum einer dieser waghalsigen Kerle. Auf ihn hatte Mama, die damals als Magd arbeitete, bei der Kapelle gewartet und gebetet, dass er gesund wieder nach Hause kam. Vor ein paar hundert Jahren oder so. Spannend war das.
„Schade“, seufzte Mara, „dass das bloß eine Traumgeschichte ist.“
Max nickte. „Stimmt. Sonst wäre Papa ja ein Gauner gewesen und vielleicht im Gefängnis gelandet. Hihi.“
„Ihr Träumer!“, brummte Papa. „Ein Glück, dass wir nicht an Wiedergeburt glauben.
Mama lächelte und deutete auf einen Stein im Gemäuer der Kapelle. “Und das hier? Ist das auch eine Träumerei?“
Verdutzt starrten Mara, Max und Papa auf das eingeritzte verwitterte und von Flechten überzogene Herz mit den Namen „Anna & Leonhard – Anno 1654“
© Elke Bräunling
Kapelle, Bildquelle © AJJ74/pixabay
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Waldameise sagte:
Liebe Märchenfrau … (oder sollte ich Traumfrau schreiben?)
wir haben hier immer noch sommerliche Temperaturen und mir ist leicht warm … war leicht zu warm … bis eben, denn jetzt habe ich Gänsehaut.
Danke für diese wundervolle Geschichte, die mich – einmal mehr – ganz besonders anspricht und meine Seele tief berührt. Dankeschön.
Ein lieber Gruß
von der Waldameise
Märchenfrau sagte:
Danke, liebe Waldameise. Ich habe an dich gedacht, als ich diese Geschichte gestern hier einstellte. Ich wusste, sie würde dir gefallen. Ja, und dann bin ich gleich zu dir gewandert und habe mir die wunderschöne Kapelle nebst Foto „geliehen“. Danke dir dafür. Sie passt wunderbar zur Geschichte.
Ein lieber Gruß zu dir
deine „Märchenfrau“
(Traumfrau, ja, das wäre ich auch gerne …. hihi …) ;)
wholelottarosie sagte:
So viele Dinge gibt es im Leben, die wir nicht in unsere „Schubladen“ einsortieren oder zuordnen können. Träume sind Botschaften aus unserem Unterbewusstsein und manchmal wäre es bestimmt gut, auf sie zu achten. Liebe Elke, das ist wieder mal eine stimmungsvolle und nachdenkliche Geschichte und ein wunderschönes Foto dazu!
LG von Rosie
Märchenfrau sagte:
Danke für deinen Besuch in den Sommergeschichten, liebe Rosie, und danke für deine nachdenkenswerten Worte. Ja, man sollte unbedingt auf seine Träume achten. Sie machen auf all das aufmerksam, was man im Alltag übersieht. Sie sehen das Kleine im Großen und erinnern uns daran. Manchmal allerdings weisen sie auch auf Vergangenes und Zukünftiges hin, so, als seien sie Boten aus einer anderen Welt. Unheimlich schön ist das, spannend und sehr kostbar.
Lieber Gruß
Elke
Hans Rüsenberg sagte:
Diese Kapelle ist wirklich schön und nicht verwittert – vor allem gar nicht hässlich! Eine schöne Geschichte, danke – auf der Bank!