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Nachbar Friedel und die Hasen

„Wenn ich früh in den Garten geh, mit meinem grünen Hut, ist mein erster Gedanke, was nun mein Liebster tut, ist mein erster Gedanke, was nun mein Liebster tut!“
Einen grünen Hut habe ich nicht, aber diese Melodie kommt mir stets in den Sinn, wenn ich in den Garten gehe, den ich sehr liebe.
Es gedeiht alles prächtig und mein Kräuterbeet ist ein Traum. Für mich darf es im Sommer jeden Tag Salat mit frischen Kräutern geben.
Heute aber soll es bei mir Bratkartoffel mit Spiegeleiern geben. Dazu brauche ich ein wenig Schnittlauch. Ich nehme also meine Kräuterschere, ziehe die Gummistiefel an und wandere in den Garten.
Der Nachbar ist auch schon aktiv, er winkt mir fröhlich zu. Ein sympathischer Mensch ist er und den ganzen Tag an der frischen Luft tätig. Nun ja, er ist auch schon Rentner und hat viel Zeit. Ganz so gepflegt wie sein Garten ist meiner wohl nicht.
Als ich am Beet ankomme, traue ich meinen Augen nicht. Wo gestern noch herrliche Petersilie stand, ragen nun nur noch die Stängel aus der Erde, abgefressen, alles!
Schnittlauch mochte der Dieb wohl nicht und auch die Kohlrabipflanzen sind weitgehend unversehrt. Ich atme dreimal tief durch, aber es gelingt mir nicht, mich zu beruhigen.
„Verdammter Mist!“, rufe ich laut und dann, als wäre der Fluch nicht schon genug, trompete ich noch dreimal das verflixte Sch-Wort hinterher, das ich meinen Kindern immer verboten habe. Zur Krönung werfe ich die Schere mit Nachdruck auf die Erde. Dabei kann sie nun wirklich nichts dafür.
„Was ist los?“, ruft der Nachbar.
Ich schäme mich, wie konnte ich nur so ausfallend fluchen?
„Guten Morgen, junger Mann!“, rufe ich keck, um das Bild, das er nun von mir haben wird wieder gerade zu rücken. Daraufhin setzt er sich in Bewegung und kommt an den Zaun.
„Ist was passiert?“, fragt er besorgt.
„Das kann man wohl sagen – meine Petersilie, sie ist weg. Völlig abgefressen, dabei war sie so herrlich nachgewachsen.“
„Das waren die Hasen. Bei mir waren sie auch schon. Ich habe jetzt einen Draht gezogen, damit sie keinen Schaden mehr anrichten können. Das sollten Sie auch machen!“, rät er mir.
„Ja, das sollte ich wohl tun“, stimme ich ihm zu. Er bietet mir seine Hilfe an.
„Ich mach das gern für Sie, soll ich?“
„Das würden Sie tun?“ Ich bin hoch erfreut über so viel Hilfsbereitschaft und schlage einen Handel vor.
„Dafür mache ich uns nun leckere Bratkartoffeln und lade Sie auf meine Terrasse ein!“
Der Nachbar freut sich und stiefelt gleich los, um Draht und Werkzeug zu holen. Ich schneide etwas Schnittlauch ab und mache mich auf den Weg in die Küche.
Es macht Spaß für Zwei zu kochen. Herr Müller ist ebenfalls schon lang allein.
Draußen wird gehämmert und geklopft und in der Küche duftet es nach Speck, Zwiebeln und Kartoffeln, köstlich.
Gerade, als ich den Tisch fertig gedeckt habe, schellt das Telefon. Johanna, meine Freundin, hat Lust auf einen Plausch. Aber ich vertröste sie auf den Nachmittag.
„So, so“, sagt sie. „Du hast also Besuch und willst mir nicht erzählen, wer es ist!“
„Später!“, flüstere ich, denn ich sehe, dass sich Herr Müller auf das Haus zukommt.
Wir unterhalten uns sehr gut, Friedel und ich. Das Du ergab sich gleich nach dem ersten Glas Bier, das ich heute einmal ausnahmsweise zum Mittagessen mit ihm getrunken habe. Zu Bratkartoffeln passt das einfach wunderbar, das Bier und das Du.
Friedel hat mir versprochen, weitere Arbeiten in meinem Garten zu erledigen. Dafür werde ich für ihn kochen, ab und zu. Er wird den ein oder anderen Salatkopf beisteuern und bald sind auch die Kirschen reif, da backen wir dann einen wunderbaren Kirschkuchen. Mal sehen.
Mein erster Weg am Morgen ist noch immer der in den Garten, dabei summe ich:
„Wenn ich früh in den Garten geh mit meinem grünen Hut, ist mein erster Gedanke, was nun mein Nachbar tut, ist mein erster Gedanke, was nun mein Nachbar tut.“

© Regina Meier zu Verl