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Sieben Blüten


Wie in jedem Jahr trafen wir drei Freundinnen uns am Tag vor Mittsommer*, um eine alte Tradition aufrecht zu erhalten. Heidi, Anke und ich pflückten bereits seit unserer gemeinsamen Schulzeit Blumen für den Mittsommerkranz, den wir anschließend gemeinsam banden.
Mit viel Freude gestalteten wir die bunten Kränze mit Sommerblumen, die wir in sieben verschiedenen Wiesen gesammelt hatten. So wie es sieben Wiesen sein mussten, war es auch Pflicht, dass es sieben unterschiedliche Blumen sein sollten. Das war gar nicht so einfach. Wie gut, dass wir auf dem Lande lebten, doch selbst hier waren die Wiesen entweder schon abgemäht, oder es fanden sich lediglich ein paar Butterblumen oder Margeriten. Manchmal drückten wir ein Auge zu und ernannten einen Straßenrand, der uns feine Kornblumen anbot, kurzerhand zur Wiese.
Unter viel Gelächter und Gekicher beim Schwelgen in Erinnerungen fuhren wir mit dem Fahrrad durch die Landschaft, rasteten mal hier, mal da. Wir sammelten Kornblumen, Butterblumen, Löwenzahn, Mohn, roten Klee und Wiesenschaumkraut. Dann machten wir uns mir unseren prächtigen Sträußen auf den Weg nach Hause. Jede von uns nahm ein Sträußchen mit jeweils einer der sieben Blütensorten mit nach Hause. Die anderen Blüten wurden als Haarkranz gebunden. Ein Kranz für jede von uns, das versteht sich von selbst.
Die fertigen Kränze wanderten dann in den Kühlschrank, bis sie am nächsten Abend zum Einsatz kamen. Zum Mittsommerfest trugen wir sie auf unseren Köpfen und wir waren stolz und glücklich. Mit dem Einzelsträußchen hatte es folgendes auf sich: Ein Mädchen legte die sieben Blüten in der Nacht vor Mittsommer unter ihr Kopfkissen und der, von dem sie in dieser Nacht träumte, würde ihr Liebster oder sogar ihr Ehemann werden.
Bei mir hat das nicht funktioniert. Einen Liebsten habe ich zwar gefunden, doch geträumt habe ich vorher nicht von ihm. Trotzdem lege ich brav mein Sträußchen unters Kopfkissen und ernte jedes Jahr den gleichen Spruch dafür: „Du mit deinem Unkraut!“, sagt mein Mann dann und ich nehme es ihm gar nicht übel, denn ich weiß ja, dass er es nicht böse meint.
Meine Freundinnen behaupten allerdings, dass es bei ihnen hundertprozentig geklappt hat. Wie auch immer, ich finde es schön, diese Traditionen, die wir den Schweden abgeschaut haben, beizubehalten und es ist ja auch wirklich sehr romantisch, dass in der Nacht des Mittsommers die Morgen- und die Abendröte einander lieben gelernt haben. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.

© Regina Meier zu Verl
*Mittsommer (Midsommar) wird in Schweden immer an einem Samstag zwischen dem 20. – 26.6. gefeiert.

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Zeichnung Regina Meier zu Verl

Ein Blumengedicht findest du hier: Blütenpracht

und hier eine Margeritengeschichte: Margeritentraum