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Das Marienkäferchen in der Schule

„Ich hatte als Kind einen Marienkäfer aus Blech, den ich hinter mir herziehen konnte. Er lief auf Rädern und öffnete beim Fahren die Flügel – auf und zu, auf und zu. In seinem Inneren konnte man einen Schatz verstecken oder aber ein wenig Proviant, um im Garten spazieren zu gehen!“, sagte Frau Korte. Sie schaute dabei so sehnsüchtig aus dem Fenster, als vermisse sie ihren Marienkäfer noch heute. Die Kinder lachten. Das musste doch ein seltsames Spielzeug gewesen sein, heute packte man seinen Proviant in eine Brotdose und dann in den Rucksack und einen Schatz hatte keines von ihnen. Was war das überhaupt, ein Schatz?
Jonas meldete sich.
„Frau Korte, was für einen Schatz meinen Sie denn? Etwa so ein geheimes Tagebuch oder sowas?“, fragte er.
„Ein Schatz – mmh, das können ganz verschiedene Dinge sein. Etwa ein Schlüssel zu einer Schatzkammer oder aber ein Schmuckstück. Es kann auch ein wertvolles Erbstück sein oder eine verzauberte Haarspange!“, erklärte Frau Korte.
„Das war sicher Ihr Lieblingsspielzeug, Frau Korte, stimmt’s? Wo Sie doch Maria heißen, meine ich!“, sagte Anna-Lena.
„Du meinst den Marienkäfer, oder?“, wollte Frau Korte wissen und als Anna-Lena nickte, bestätigte sie: „Ja, das war mein Lieblingsspielzeug, ich muss doch mal nachschauen, ob ich ihn noch auf dem Dachboden finden kann, dann bringe ich ihn mit, versprochen!“
Entschlossen stand Frau Korte auf. Wie war sie denn jetzt auf das Kinderspielzeug gekommen? Ach ja, sie hatten den Kindern davon erzählen wollen, wie der Marienkäfer zu seinem Namen gekommen war.
„Kann sich denn schon jemand vorstellen, warum der Marienkäfer so heißt?“, fragte sie.
Die Kinder riefen durcheinander und immer wieder hörte man „Gottesmutter Maria“ oder „Heilige Maria“ oder aber „Glückssymbol“.
„Pssst! Nicht alle durcheinander, aber alles was ich hören konnte, war richtig. Natürlich hat Maria etwas damit zu tun. Man sagt, dass sie die kleinen Nützlinge als Geschenk geschickt haben soll!“
Frau Korte machte eine kurze Pause und sah die Kinder aufmerksam an.
„Geschenk?“, rief Jonas. „Tiere darf man doch nicht verschenken und Marienkäfer schon gar nicht, die gehören doch keinem!“
„Deshalb kann Maria sie doch trotzdem verschenkt haben, sie hat uns ja auch Jesus geschenkt, oder?“, wandte Steffi ein. „Außerdem sind Marienkäfer ja ganz doll nützlich, sie fressen Läuse und befreien die Blumen von ihnen und das Getreide, und alles eben. Opa sagt immer, dass Marienkäfer Gold wert sind!“
Kalle, der vor Steffi saß und eigentlich nie so richtig zuhörte, wirbelte herum. „Die fressen Mäuse?“, fragte er.
„Kalle, du musst zuhören! Läuse fressen sie, Läu-se!“, feixte Steffi. „Das ist nicht witzig, Kalle, echt nicht!“
„Das ist nicht witzig, Kalle, echt nicht!“, äffte Kalle Steffi nach. „Du bist nervig, Steffi, echt jetzt!“, fügte er hinzu.
Steffi schwieg beleidigt und Kalle drehte sich wieder nach vorn. Frau Korte erzählte jetzt, dass es noch einige andere Deutungen gab, so schütze der Marienkäfer beispielsweise vor Hexen und Magiern und diene den Menschen deshalb als Glückssymbol.
„Und jetzt wünsche ich mir, dass ihr einen schönen Marienkäfer ins Zeichenheft malt und für morgen schreibt ihr dann drei kurze Sätze über die Bedeutung des Namens dazu!“
Während Steffi sich verstohlen ein Tränchen wegwischte, das sich in ihre Augen gestohlen hatte, flog das kleine Marienkäferchen, das die ganze Zeit auf der Fensterscheibe alles mit angehört hatte auf Steffis Zeichenheft, zum Trost wohl und Steffi freute sich und verriet kein Sterbenswörtchen.

© Regina Meier zu Verl