Schlagwörter

, , , ,

Die müde Grille

„Ich weiß nicht, was mit mir los ist! Aber ich gebe zu, dass mir die Arbeit gerade schwer fällt. Sehr schwer.“
Die alte Grille hockte am Rande der Waldwiese auf einem Kleeblatt und seufzte. Tief und laut. So laut, dass jeder auf der großen Wiese es hören konnte.
„Du musst ein wenig kürzer treten, meine Liebe“, riet die Ameisenkönigin.
Die hatte gut reden, denn für sie arbeitete ein ganzer Ameisenstaat. Vor allem aber musste sie niemanden unterhalten und singen und den Sommertag verkünden so wie sie. Das war doch etwas ganz anderes.
„Ich werde gebraucht“, antwortete sie knapp.
„Oh, das weiß ich doch. Meine Damen könnten längst nicht so gut arbeiten ohne deinen wunderbaren Gesang, liebe Grille. Aber auch du musst dich einmal erholen“, sagte die Königin und das klang gut in den Ohren der Grille. Wer möchte nicht so schöne Komplimente bekommen?
„Meinst du?“, fragte sie und für einen Moment stellte sie es sich schön vor, einfach nur dazusitzen und die Sonne zu genießen, den Wind, die Regentropfen, das Funkeln der Sterne in der Nacht. Einfach sitzen und nichts tun. Aber, o Schreck!, was sollte sie dann tun den ganzen langen Tag? So recht konnte sie sich dieses Nichtstun nicht vorstellen. Allein der Gedanke daran machte sie kribbelig. Und was würden die Wiesentiere sagen und die Menschen? Sie alle liebten doch ihre Lieder so sehr.
„Ja, das meine ich!“, unterbrach die Ameisenkönigin ihre Gedanken. „Ich schlage vor, du ruhst dich ein paar Stunden aus, dann hast du wieder Kraft, um weiterzumachen!“
„Ein paar Stunden?“ Zögernd sah die Grille die Freundin an. „Das müsste gehen und das werde ich auch sogleich tun. Aber sag, was ich soll ich tun in diesen paar Stunden?“
„Aus-ru-hen!“, sagte die Ameise. „Nichts weiter.“
Nichts weiter? Ging das denn so einfach? Wieder dachte die Grille nach.
„Dann werde ich es so machen“, meinte sie dann. „Aber erst muss ich los, allen Bescheid sagen. Nicht, dass sie vergebens auf meine Musik warten, während ich so dasitze und nichts tue und mich ausruhe und langweile und …“
„Ach du liebe Güte, Grille, dir ist nicht zu helfen.“ Die Ameise seufzte. „Aber da fällt mir doch etwas ein: Du solltest dir einen Partner suchen, einen, auf den du dich verlassen kannst und der dich vertritt, wenn du einmal ausspannen musst.“
Das war eine gute Idee. Die Grille überlegte und während sie ihren Bekanntenkreis in Gedanken an sich vorbeiziehen ließ, wurden ihre Augen mit einem Mal schwerer und schwerer und …
Und da lag sie nun und schlief und das war gut so. Es war auch höchste Zeit. Und fast hätten die Wiesenbewohner es gar nicht bemerkt, denn die Ruhe, die an diesem Nachmittag auf der Wiese herrschte, tat auch einmal gut. Allen.

© Elke Bräunling


Grashüpfer, Bildquelle © Rollstein/pixabay