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Die Sache mit dem Lesen

Die Sommerferien waren zu Ende. Unglaublich, wie schnell das wieder gegangen war, kaum begonnen – schon vorbei. Jakob hatte eigentlich noch keine Lust, wieder zur Schule zu gehen, aber auf all die neuen Schulsachen und Bücher freute er sich doch, ein wenig jedenfalls.
Er nahm eines der neuen Bücher hoch, das Lesebuch, und schnupperte. Hm! Neue Bücher rochen immer so gut. Frisch, fast ein bisschen aufregend. Als wollten sie das Lesen spannender machen. Und er spürte, wie die Freude in seinem Bauch kribbelte.
Ob das Mathebuch auch so gut roch? Bestimmt. Wo das Rechnen doch so viel Spaß machte! Mama behauptete zwar, dass er das nicht von ihr haben könnte, denn Mathe sei ihr ein Graus gewesen. Er aber liebte knifflige Aufgaben und hatte eine Riesenfreude daran, diese zu lösen.
Er schlug das Mathebuch auf und schaute sich die ersten Aufgaben an. Das war ja ganz einfach! Dabei war er doch nun schon im dritten Schuljahr. So langsam dürften die Aufgaben schwieriger werden, dachte Jakob. Ob ich die ersten Aufgaben schon lösen soll?
„Gute Idee!“, murmelte er. „Dann habe ich später keinen Stress mit den Hausaufgaben.“
Und schnell machte er sich daran, all die Aufgaben, die ihm nicht schwer erschienen, zu lösen. Das machte Spaß!
„Die werden sich wundern“, murmelte er und jetzt freute er sich noch mehr auf die Schule.
Dann blickte er wieder zum Deutschbuch hinüber. Er seufzte.
Wenn ihm dieses Buch doch auch so viel Freude machen könnte, wie das Mathebuch. Aber mit den Buchstaben war das so eine Sache. Sie tanzten vor seinen Augen und so sehr er sich auch bemühte, er bekam sie nur selten zu fassen. Dabei liebte er Geschichten, allerdings nur, wenn Oma sie ihm vorlas. Das war schön!
Er schlug das Buch auf und landete irgendwo in der Mitte.
„Oh, so viele Worte!“, schimpfte er. „Wie kann man die alle auf einmal lesen?“ Er stippte den Zeigefinger auf das erste Wort, überlegte, sagte es sich vor. Dann das zweite, das dritte, das vierte. „Katharina … mag … das … Lesen … nicht … leiden. … Das … Rechnen … aber … schon …“, las er laut vor. „Toll!“, rief er dann begeistert aus. „Sie ist wie ich, diese Katharina!“
Die Neugier war geweckt. Klar, dass Jakob nun wissen wollte, wie weiterging mit Katharina. Also las er weiter:
Leider lässt sich das Lesen nicht umgehen, denn wenn Katharina Textaufgaben lösen will, dann muss sie zuerst den Text lesen und verstehen. Weil ihr das Rechnen aber so eine Freude macht, liest sie. Jeden Tag geht es ein wenig besser!
Jakob stöhnte. „Doof ist das“, brummelte er. „Rechnen will ich, nicht lesen. Ob diese Katharina aus der Geschichte sich dies auch wünscht? Mal sehen! Ein bisschen lese ich noch weiter, aber wirklich nur ein bisschen.“
Als sie einmal in der Nacht nicht schlafen kann, greift Katharina nach dem Buch. Beim Lesen nämlich schläft sie besonders schnell ein.
„Ich auch!“, rief Jakob. „Ich auch!“
Diese Katharina war sicherlich seelenverwandt mit ihm. Das sagte Oma immer, wenn sie sich mit jemandem ganz besonders gut verstand. Jakob wollte mehr wissen, er las:
Als die Lehrerin eines Tages zu Katharina sagt, dass sie ganz besonders gut lesen kann und vielleicht sogar im nächsten Halbjahr am Vorlesewettbewerb teilnehmen sollte, ist das Mädchen sehr stolz. Ein Wettbewerb ist genau nach ihrem Geschmack. Lieber wäre zwar ein Rechenwettbewerb gewesen, aber …
Jakob nickte. Ja, das wäre bei ihm auch so, aber Dinge konnten sich ändern und bei Jakob erwachte gerade die Leselust, oder die Neugier, oder was auch immer, Hauptsache er las, nicht wahr?

© Regina Meier zu Verl