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Der farbenbunte Zauber

Es war einmal vor langer Zeit, da malte ein Kind seine Welt bunt an. Die nämlich hatte ein bisschen ihre Farben verloren und auf allem lag wie ein Schleier ein trauriges Grau. Die Blumen im Garten und auf der Wiese strahlten nicht mehr bunt, die Tiere versteckten sich und die Menschen hatten ihre Freude verloren. Ihre Gesichter waren stumpf und traurig. Man sah kein Leuchten mehr in ihren Augen, kein Lächeln huschte über ihre Lippen, kein freudiges Rot wärmte ihre Wangen. Alles schien stumpf und grau.
„Wie traurig! Eine böse Fee hat das Bunt gestohlen“, sagte das Kind. „Ich werde es zurück zaubern.“
Es holte seinen Zauberkasten, den ihm der Großvater einmal geschenkt hatte, suchte nach dem Zauberstab und hängte sich den Zauberumhang um. Dann ging es in den Garten.
„Abrakadabra. Drei mal rot, gelb, blau! Bunte Farben und kein Grau.
Abrakadabra. Drei mal Zauberei. Das graue Zeit sei nun vorbei.
Abrakadabra. Abrakabum.“
Laut und lauter rief es seinen Zauberspruch in den Tag hinaus, doch nichts rührte sich. Kein Windhauch war zu spüren, kein Vogel war zu hören, kein Bienensummen und Käferbrummen. Nichts. Es war, als hielte die Welt im Garten ein bisschen den Atem an.
Auch das Kind hielt den Atem an. Lange.
Dann tropfte eine Träne über seine Backen und noch eine und noch eine.
„Nicht weinen, liebes Kind!“, rief ihm da eine Stimme von der Birke her zu.
Es war die Traumfee, die in den Zweigen des Baumes verborgen ihr Mittagsschläfchen hielt. „Verzaubere dir deine Welt selbst! Nur dann wirst du ihre bunten Farben wieder sehen. Hörst du?“
Das Kind nickte.
Was sollte auch dieser faule Zauber? Es warf Zauberstab und -umhang weg und holte Buntstifte, Pinsel und Farbkasten. Dann malte es das Bunt auf viele Kieselsteine. Bald gab es rote, gelbe, grüne, blaue, violette, rosa- und lilafarbene, braune, bunt getupfte und karierte Steine, Steine mit Blümchenbildern, mit der Sonne, mit Pilzen, Vögeln, Käfern, Beeren, Äpfeln, Herzen, Luftballons, Kussmündern und vielen vielen Bildern mehr und alle waren sie bunt bunt bunt. Viele viele bunte Steine.
Schön sahen die aus. Und wirklich sehr bunt.
Stolz betrachtete das Kind sein Werk. Dann nahm es all die kunterbunten Steine und warf sie in die Luft und – Abrakadabra – kehrte das Bunt in den Garten zurück. Auch die Gesichter der Menschen sahen wieder fröhlich aus.
Das Kind lachte und … wachte auf. Es staunte. Hatte es all das Bunt nur geträumt?

© Elke Bräunling

Ergänzend – oder als Fortsetzung – dazu findest du hier die Geschichte „Die Rückkehr der bunten Farben“


Farbenbunte Steine, Bildquelle © photosforyou/pixabay