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Oma erzählt das Märchen von der Kornähre

Pia und Pit spazieren mit Oma durch die abgemähten und abgeernteten Felder.
„Früher“, sagt Oma, „sah es hier viel bunter aus. Kornblumen blühten zwischen den gelben Kornähren, und Klatschmohn, Rainfarn, Feldmargeriten und Kamille. Schön sah das aus.“
„Ein paar Kornblumen habe ich am Wegrand gesehen“, sagt Pia. „Es waren aber zu wenige für einen Blumenstrauß.“
„Wir können ja diese dicken Grashalme pflücken“, meint Pit und deutet auf ein paar Kornähren am Wegrand, die bei der Ernte vergessen und übrig geblieben waren.“
Oma lacht. „Man sieht, dass ihr Stadtkinder seid.“ Sie pflückt einen dieser ´Grashalme´. „Das ist kein Grashalm“, sagt sie.
„Was dann?“, fragt Pit.
„Ich weiß es“, ruft Pia. „Eine Kornähre ist es. So eine haben wir in der Schule gemalt.“
„Richtig“, sagt Oma. „Aus ihren Körnern wird Mehl gemahlen.“
„Aus diesen Körnern?“
Das haben Pia und Pit nun doch nicht so recht gewusst.
„Das ist ja spannend“, sagt Pit.
Pia aber meint: “Ich finde es aber nicht so gut, dass die Bauern so viele Kornähren beim Ernten vergessen haben. Ganz viel Brot könnte man daraus backen.“
„Stimmt“, sagt Oma. „Aber die Vögel und die Feldmäuse freuen sich auch über ein paar Körnerleckerbissen.“
„Dann geht ja doch kein Körnchen verloren, nicht?“, fragt Pia.
Oma nickt und betrachtet gedankenverloren den Getreidehalm.
„Da fällt mir ein altes Märchen ein“, sagt sie. „Wollt ihr es hören?“
„Aber ja!“, rufen Pia und Pit, und Oma erzählt das Märchen von der Kornähre:

„Früher, heißt es, waren die Böden viel fruchtbarer gewesen als heute, und eine Kornähre trug ihre Körner am ganzen Halm von oben bis unten. Es waren bis zu vierhundert Körner pro Halm, und Gott freute sich sehr, wenn er diese prächtigen Ähren sah. Für die Menschen aber war dieser Überfluss so normal, dass sie sich keine große Mühe gaben, die Pflanzen richtig zu pflegen. Sehr gleichgültig waren sie, und Gott ärgerte sich darüber. Eines Tages beobachtete er, wie eine Frau mit einer Handvoll Ähren das von Matsch beschmutzte Kleid ihres Kindes sauber rieb. Da riss ihm der Geduldsfaden.
´Von nun an´, rief er voller Wut, ´gibt es keine Körner mehr auf den Halmen. Ihr Menschen seid sie nicht wert.‘
Da erschraken die Menschen. ´Wir wissen, dass wir die wertvollen Körner nicht verdienen!´ flehten sie. ´Aber bitte, lass wenigstens ein paar Körnchen an den Halmen, damit wir Futter für unsere Hühner haben!´
Weil sie so sehr bettelten, gewährte ihnen Gott ihre Bitte, und so kommt es, dass an den Halmspitzen die Kornähren übrig geblieben ist, so wie ihr sie hier jetzt seht.“

Pia und Pit sind beeindruckt.
„Gut, dass Gott an die Hühner gedacht hat“, sagt Pit.
„Stimmt“, meint Pia, „sonst gäbe es kein Brot und keinen Kuchen. Ganz schön schlimm wäre das.“
„Eigentlich“, überlegt Pit, „müssen wir den Hühnern ´Danke´ sagen. Ich weiß auch schon wie: Wir pflücken einen Strauß von diesen vergessenen Kornähren für die Hühner!“
„Das ist eine gute Idee“, sagt Oma. „Und ein paar Ähren bewahrt ihr auf für die Vögel im Winter. Einverstanden?“
„Einverstanden“, rufen Pia und Pit und machen sich ans Pflücken. Doch nicht alle Kornähren nehmen sie mit. Die Tiere auf den Feldern sollen schließlich auch satt werden.

© Elke Bräunling nach Gebrüder Grimm

Getreidefeld, Bildquelle © Pezibear/pixabay

 

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