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Margeritentraum

Am Rande einer viel befahrenen Straße wohnt eine Gruppe von Wiesenblumen. Die meisten stammen aus der Familie der Margeriten, aber auch Mohni Klatschmohn und ihre Freundin Kornelia Kornblum sind dabei.
Margarete, die größte von ihnen plappert vor sich hin:
„Hört ihr die Kirchenglocken? Sicher ist heute wieder eine Hochzeit. Die Braut trägt Margeriten in den Haaren und der Bräutigam, meine Güte, sieht der gut aus!“
Die anderen Blumen kichern leise.
„Die spinnt mal wieder“, stellt Maggy fest, die ihrer Schwester zum Verwechseln ähnlich sieht.
„Aber die Glocken läuten ja wirklich, vielleicht kann Margarete hellsehen und weiß, dass es eine Trauung ist“, wirft Mohni ein.
„Quatsch mit Soße, heute ist Freitag und nachmittags sind immer Trauungen“, erklärt der Spitzwegerich, der immer alles weiß. Jedenfalls behauptet er das.
Margarete überhört die Unterhaltung der anderen, sie träumt weiter.
„Und die Engelchen streuen Rosenblätter, mein Gott, sind die niedlich!“
„Die Rosenblätter?“, fragte der Spitzwegerich und lacht hämisch.
„Nein, die Engelchen natürlich. Du bist aber auch kein bisschen romantisch!“, schmollt Margarete. „Man wird ja wohl noch träumen dürfen!“
„Vielleicht wird dein Traum irgendwann wahr und du wirst auf dem Kopf einer Braut zum Altar schreiten, meine Liebe“, tröstet Greta, die sich bisher zurückgehalten hat. „Ich würde dich gern begleiten, wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben!“

Zur gleichen Zeit sitzt Marie im Friseursalon nahe der Kirche. Dicke Tränen kullern über ihre Wangen. Dabei sieht sie so hübsch aus in ihrem weißen Seidenkleid, das über und über mit Spitze besetzt ist.
„Das ist doch nicht so schlimm, Marie, gleich ist alles wieder in Ordnung und dann gehst du zur Kirche und heiratest deinen Christian und ihr werdet glücklich werden und diese kleine Panne ganz schnell vergessen!“
„Ja, aber …“, schluchzt Marie, „der Schleier ist hin und eine richtige Braut braucht doch einen Kopfschmuck.“
Die Friseurin flüstert dem Lehrmädchen Nadine etwas ins Ohr. Diese verlässt eilig den Salon und kehrt nach ein paar Minuten mit einem Strauß Margeriten zurück. Mit flinken Fingern zaubert sie einen Blütenkranz und dann bekommt die Braut Marie einen wunderschönen Haarschmuck, der noch bezaubernder ist als der Schleier, der zuvor in der Autotür hängen geblieben war und zerriss.
Maries Augen strahlen und die Friseurin und Nadine, das Lehrmädchen, strahlen auch.

Am Rande der viel befahrenen Straße stehen Mohni, Kornelia und der kluge Herr Spitzwegerich. Die Damen sind in Gedanken versunken und Herr Spitzwegerich kämpft mit den Tränen. Er ist eben doch ein wenig romantisch.
Die Margeriten sind verschwunden, wo sie sind, dass ahnt ihr längst, nicht wahr?
Klar, alle zieren die Kopf der Braut, bis auf Margarete, die sitzt im Knopfloch des Bräutigams und sie ist hin und weg, meine Güte, sieht der gut aus!

© Regina Meier zu Verl